EMS-Training – Fitness unter Strom

EMS-Training gilt als der Turbo unter den Trainingsmethoden. Die Theorie: Stromstöße während der Übungen regen die Muskeln so stark an, dass jede Einheit doppelt und dreifach wirkt. Wie funktioniert das Fitnesstraining im Zeitraffer?

Das große Kribbeln: Wie du mit EMS-Training Muskeln aufbaust

EMS-Training – dieses Kürzel steht für Elektromyostimulation, besser bekannt als Elektrische Muskelstimulation oder Elektro-Muskel-Stimulation. Es soll den Kalorienumsatz beim Training massiv erhöhen und das Muskelwachstum beschleunigen. Wissenschaftler haben die elektrisierende Methode unter die Lupe genommen.

Gemütlich auf der Couch lümmeln, bestenfalls einen Eiweißdrink schlürfen und sich von Stromstößen den perfekten Strand-Body modellieren lassen – so funktioniert EMS-Training nicht. Wer unter Strom etwas erreichen will, muss selbst einiges investieren. Die Übungen entsprechen dem angesagten Funktionalen Fitnesstraining: Kniebeugen, Klappmesser, Seit- und Liegestütz, Ausfallschritte, Kraft- und Stabilisierungsübungen am Slingtrainer etc.

Effektiver trainieren mit Strom

Der entscheidende Unterschied: Beim EMS-Training werden deine Muskeln während des Workouts durch leichte Stromstöße zusätzlich stimuliert. Durch die Stromreize ziehen sich die Muskulatur unwillkürlich zusammen. Deshalb besteht die Schwierigkeit beim EMS-Training darin, die Muskeln zu kontrollieren und gegen das unkontrollierte Muskelzucken zu arbeiten. So soll das Training sehr viel effektiver sein – und die elektrischen Impulse stimulieren gleichzeitig mehrere große Muskelgruppen im Körper. Das Versprechen: Muskeln lassen sich schneller aufbauen, Fett schmilzt dahin.

Wie funktioniert EMS-Training?

Und wie funktioniert EMS-Training in der Praxis? Erste Besonderheit ist die Kleidung. Beim „normalen“ Funktionalen Fitnesstraining oder Krafttraining sind durchblutungsfördernde Shirts, Tights und Socken, die die Kompression fördern, absolut empfehlenswert. Beim EMS-Sport hast du dagegen keinen Einfluss auf die Sportkleidung. Denn im EMS-Studio trägst du einen dünnen, eng sitzenden Baumwollanzug, den das EMS-Studio stellt. Der Anzug wird mit Wasser aus der Sprühflasche befeuchtet, damit die elektrischen Impulse deine Haut erreichen. Dann zieht der Trainer dir Weste, Gürtel und Manschetten an, die mit Elektroden für die jeweiligen Muskelgruppen bestückt sind.

Jetzt geht’s auf die Trainingsmatte.

  • Muskelgruppe für Muskelgruppe dreht der Trainer am EMS-Gerät den Strom auf. Du solltest solange „Mehr“ sagen, wie du das Kribbeln aushältst, ohne dass es schmerzhaft wird.
  • Wenn du schon einigermaßen gut trainiert bist, erträgst du erfahrungsgemäß ein paar Volt mehr. Das erhöht wiederum den Trainingseffekt.
  • Die Werte werden fürs nächste Mal gespeichert. Du kannst die Stromstärke aber immer nach Wunsch hoch- oder herunterregeln lassen.
  • Nun folgt das eigentliche Workout. Du gehst in die Ausgangsposition, spannst die jeweilige Muskelgruppe an.
  • Sobald du die elektrischen Impulse spürst, startest du die Bewegung und hältst sie fünf Sekunden lang durch.
  • Es folgt eine ebenfalls fünf Sekunden dauernde Entspannungsphase ohne Strom.

Meist umfasst eine Übung zehn Durchgänge. Die gesamte Trainingssitzung dauert in der Regel 20 Minuten. Und weil du in der Regel exklusiv von einem Trainer betreut wirst, genießt du beim EMS viele Vorteile eines Personal Trainings.

Wie oft kann ich trainieren und was kostet EMS-Training?

Eine EMS-Einheit pro Woche ist die empfohlene Dosis, zwei Mal das absolute Maximum. Das passt auch zum Budget, denn mit circa 20 Euro pro Session ist das elektrisch unterstützte Workout nicht gerade billig. Aber du bekommst auch ganz schön was für dein Geld: Erfahrene Functional Fitness-Sportler spüren die hohe Intensität des Trainings buchstäblich am eigenen Leib: Nach einer 20-Minuten-Einheit unter Strom sind sie so platt wie nach einer Stunde unverkabelt.

Wie effizient ist EMS-Training?

Die Wissenschaft bestätigt diese Wahrnehmung. Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg, der Technischen Hochschule Kaiserslautern und der Deutschen Sporthochschule in Köln (DSHS) haben 23 Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit von EMS-Training ausgewertet. Ihr Fazit: Das Training baut in signifikantem Umfang Muskelmasse auf und reduziert die Fettmasse.

Direkter Vergleich: EMS-Sport vs. normales Krafttraining

Dr. Heinz Kleinöder von der DSHS hat EMS-Training im direkten Vergleich zu traditionellem Ganzkörper-Krafttraining getestet – in Gruppen mit Nichtsportlern, Patienten, Freizeitsportlern und Sportstudenten. Ergebnis: „Die beiden EMS-Gruppen erzielten vor allem hinsichtlich der stabilisierenden Muskulatur (Rückenstrecker und Bauch) signifikant höhere Kraft- und Leistungswerte“, erklärt Dr. Kleinöder im Interview mit PRINZ. Seine Begründung: „Durch das EMS-Training werden die schwierig zu erreichenden, tiefer gelegenen Muskelfasern effektiv stimuliert. Das führt unter anderem zu einem erhöhten Energieumsatz.“

Jedoch wird beim normalen Krafttraining das passive Bewegungssystem trainiert. Durch Zug- und Druckbelastungen werden Gelenke ernährt und Knochen gestärkt. Auch die Widerstandskraft von Sehnen und Bändern nimmt zu. Diese Effekte bleiben beim EMS-Training auf der Strecke!

Gewicht und Körperfett abbauen durch EMS

Erhöhter Energieumsatz? Taugt EMS-Training etwa auch zum Abnehmen und somit zum erreichen deines Idealgewichtes? Auf jeden Fall! Erst einmal steigt durch den Aufbau von funktionaler Muskelmasse dein Grundumsatz. Das heißt, selbst außerhalb der Trainingseinheit verbrennst du mehr Kalorien als im untrainierten Zustand. Und auch das Training selbst schafft richtig was weg. In 20 Minuten EMS-Workout verbrennt dein Körper 515 kcal – das ist mehr als doppelt so viel wie beim Joggen (210 kcal), fünf Mal so viel wie beim Tischtennis (100 kcal) und sogar deutlich mehr als beim Cardio-intensiven Seilspringen (300 kcal).

EMS-Training für gesunde Sportler ungefährlich

Wichtig ist, vor und speziell nach dem Training viel Wasser zu trinken. Ein sehr intensives Muskeltraining führt zu einer erhöhten Ausschüttung der sogenannten Creatin-Kinase (CK). Dieses Enzym versorgt die Muskelzellen mit Energie und ist zum Beispiel bei einem starken Muskelkater vermehrt im Blut nachweisbar. Die erhöhten CK-Werte sprechen für die Effektivität des Trainings beim Muskelaufbau. Allerdings baut der Körper diesen Stoff über die Nieren ab. Deshalb kann es bei extrem erhöhten CK-Werten zu Nierenschäden kommen, wenn du nicht ausreichend trinkst.

Grundsätzlich hat EMS-Training jedoch eher positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Der Kardiologe Dr. Frank van Buuren – u. a. Dozent an der Ruhr-Uni Bochum – erforscht zum Beispiel den Einsatz eines medizinischen EMS-Trainings bei Herzpatienten. Er hält die kontrollierte Anwendung für sinnvoll und auch für sicher. Schließlich hat EMS seine Ursprünge in der Physiotherapie und wird auch als Rehabilitationssport genutzt.

Für wen ist EMS-Training geeignet?

Auch wenn EMS-Training gesundheitlich als ungefährlich gilt, solltest du – wie bei jeder neuen sportlichen Herausforderung – deinen Arzt fragen, ob er Bedenken hat. Fakt ist: Die Trainingsintensität im EMS-Studio ist um einiges höher als beim Krafttraining an herkömmlichen Trainingsgeräten. Damit kommt das Training unter Strom für zwei Gruppen von Sportlern in Frage. Erstens: Wenn du keine Zeit für mehrere wöchentliche Zirkel im Fitnessstudio hast, erreichst du die gleichen Ziele per EMS-Training mit deutlich weniger Zeitaufwand. Und zweitens: Wenn du richtig intensiv mit Strom trainierst, baust du bei gleichem Zeitaufwand schneller Muskeln auf bzw. Körperfett ab.

Stefan Jokel

Stefan Jokel

Stefan Jokel ist Diplom-Sportwissenschaftler und arbeitet bereits seit über 10 Jahren als hochmotivierter und begeisterter Personal Trainer. Seine Schwerpunkte liegen dabei auf Prävention und Rehabilitation. Stefans weitere Spezialgebiete sind Lauf- und Athletiktraining. Darüber hinaus entwickelt er Methoden und Konzepte im Personal Training. Dieses Wissen gibt er als Dozent und Referent in den Bereichen Bewegungs- und Trainingswissenschaft sowie Sporttherapie weiter. Gemeinsam mit seiner Frau betreut er außerdem Unternehmen in den Bereichen betriebliches Gesundheitsmanagement und Präventionsstrategien. Auch in seiner Freizeit spielt Sport eine große Rolle. Neben dem Ultramarathon gehören auch Bergsteigen, Sportklettern sowie Ski- und Wakeboard fahren zu Stefans Leidenschaften.

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